Sokieba - Die Geschichte vom Spiel, das glücklich macht

 

Eigentlich war "Sokieba" für Schulen gedacht. Beim Spielen das Kopfrechnen lernen, die Geschichte im Deutschunterricht interpretieren und weiterschreiben und die Story malen, formen oder gestalten - das war das Ziel, das schnell erreicht wurde.

 

Dann kam es allerdings anders als erwartet.

Die Story wurde auch in Firmen- und Managementseminaren verwendet, um einen Know-how-Transfer für innovatives Denken und proaktives Handeln zu initiieren. Sportler trainieren mittlerweilen beim Sokiebaspielen ihre Konzentration.

Und viele Leser der Sokieba-Geschichte berichten, dass es erholsam sei, sich wieder einmal in einen etwas längeren Text zu vertiefen. „Sich selbst die Bilder zur Story vorzustellen und zwischen den Zeilen Lebensphilosophisches zu erkennen“, das tut gut in dieser schnellen Zeit, erzählt uns ein Sokieba-Spieler.

 

Dass Väter und Mütter, die anfänglich mit ihren Kindern spielten, fast heimlich die Würfel in ihren Aktenkoffern oder Manteltaschen in die Firmen schleusten, um mit Kollegen ein Turnier zu spielen, war nicht beabsichtigt. Wir bitten daher, dass Sokieba nicht während der Dienstzeit gespielt werden soll

 

Nun wünschen wir großes Lesevergnügen mit der Story und viel Glück beim Spiel.

Das Team von Sokieba.

  

 

Sokieba - Die Geschichte vom Spiel, das glücklich macht

 

1. Kapitel: Die Fernsehkinder

 

Die Kinder haben jahrelang nur ferngesehen. Die großen Flatscreens bestrahlten ihre blassen Gesichter. Die Lautstärke aus den Boxen des Fernsehers führte dazu, dass sich die Kinder nie richtig unterhalten konnten und auch nicht miteinander sprechen lernten. Wenn sie nicht gerade vor dem Fernsehapparat saßen, spielten sie Computergames,  was dazu führte, dass sie sich in ihrem Alltag manchmal so verhielten, wie die aggressiven Figuren in den Spielen. Ungeduldig, zerstörerisch und rücksichtslos. Als die Kids dann in die Schule kamen, hatten sie schon große Sessel mit Armlehnen, damit sie sich beim Aufstehen abstützen konnten, weil sie völlig träge waren. Jede Bewegung war schwer und nur mit viel Mühe möglich. Und herzhaftes Kinderlachen hörte man auch nicht mehr.

 

Manchmal kamen im Fernsehen Zeichentrickfilme, die glückliche Freunde zeigten. Sie spielten auf grünen Wiesen oder vergnügten sich im Schnee. Für die Kinder waren diese bunten Filme reine Erfindungen, die Märchenwelten zeigten.

Wie immer im Frühjahr kamen die Großeltern für ein paar Tage auf Besuch. Eines Abends saß Opa mit seinen Enkeln im Wohnzimmer beim Fernsehen, als er plötzlich ganz fasziniert auf den Bildschirm starrte: Eine kleine Gruppe von befreundeten Menschen spielte im Film ein altes Spiel mit Würfeln, das ihn an seine Kindheit erinnerte. Opa sprang auf und erklärte allen, wie unterhaltsam dieses Spiel war. Die Kinder lachten ihn aus und erklärten ihm, dass das doch nur ein Zeichentrickfilm sei. "Opa, diese Sendung kommt aus Amerika. Verstehst du nicht, das ist doch nur ein Film. Das gibt es in Wirklichkeit nicht.“

 

Plötzlich wusste der Großvater, dass die Kinder sich immer nur ansahen, wie andere Menschen glücklich waren, selbst aber dieses Gefühl vom Glücklichsein gar nicht kannten. Das beschäftigte ihn die ganze Nacht. Er konnte kein Auge zumachen, weil er die ganze Zeit überlegte, wie er den Kindern zeigen könnte, dass es das Leben wirklich gibt, das man in diesen Filmen sah.

 

Am nächsten Morgen kamen die Kinder in die Küche und gingen wie immer schnurstracks zum Kühlschrank, um sich ein paar Limodosen und Süßigkeiten zu holen, die sie neben dem Fernsehen zum Frühstück verzehren wollten. Der Kühlschrank war jedoch völlig leer. Der Großvater hatte ihn ausgeräumt. Aber nicht nur das. Er hatte auch die Verbindung zum Fernsehen und Internet ausgeschaltet. Es gab heute also kein Frühstück, kein Fernsehen und auch keine Computerspiele. Die rebellierenden Kinder hatten aber keine Ahnung, wer wohl hinter dieser Katastrophe steckte.

Da etwas getan werden musste, gingen sie los in die Stadt, um Limodosen und Berge von Süßigkeiten und Chips zu kaufen. Das war aber nur ein Trick, denn Opa dachte gar nicht daran, den Kindern so ein ungesundes Frühstück zu besorgen.

 

Mit Absicht spazierte er auf dem Weg in die Stadt bei einer kleinen Tischlerei vorbei, die sein alter Schulfreund in einem Hinterhof betrieb. "Hallo Joe", rief er durch das Werkstättentor, das wegen des Staubes immer geöffnet war, wenn Holz gefräst wurde. Während sich Opa mit Joe unterhielt, beobachteten die Kinder den Tischlergesellen, der an der Fräse arbeitete. Zum ersten Mal sahen sie, wie man Holz fräste. "Holz riecht ja ganz frisch", staunte die kleine Diana, während Opa aus dem Abfallholz würfelförmige Klötze aussortierte und dem kleinen Peter in die Schultertasche steckte. Dieser war ganz fasziniert von der Fräsmaschine und beobachtete einen anderen Tischler, wie er einen Holztisch zusammenschraubte. Peter durfte mithelfen und wunderte sich, wie das nach kurzer Zeit alles zusammenhielt.

Die Kinder vergaßen bei all diesen neuen Eindrücken das Frühstück.

 

Opa unterhielt sich immer noch mit seinem alten Schulfreund - dem Tischlermeister. Er hatte aber nebenbei alles beobachtet und wusste, dass sein Plan funktionierte: Die Kinder hatten nämlich in ihrer Schultertasche die Holzwürfel, mit denen er beabsichtigte zu spielen.

 

 

2. Kapitel: Das Ereignis im Rathauspark

 

Weiter ging der Spaziergang in die Stadt. Opa wusste, dass hinter dem Rathaus, in dem er viele Jahre gearbeitet hatte, ein großer Park war. „Nur ganz kurz sollten wir uns den weißen Brunnen aus Marmor mit dem blauen Clown darauf im Park ansehen“, sagte er den Kindern. Den blauen Clown wollten sie natürlich sehen. 

 

Der Rasen war blitzeblank gemäht wie ein Golfplatz, das Betreten war strengstens verboten. Trotzdem holte Opa die Würfel aus Peters Schultertasche und warf einen in die Mitte des Rasens. Die anderen teilte er unter den Kindern auf. Opa erklärte nun das Spiel, das sie im Zeichentrickfilm gesehen hatten. Wer seinen Würfel am nähesten zu dem Würfel, der inmitten des Rasens lag, warf, hatte gewonnen. Zwei Stunden lang spielten die Kinder und vergaßen alles um sich herum. Bei jedem guten Treffer lachten und jubelten sie.

 

Plötzlich kam die Polizei. Jemand hatte Anzeige wegen des verbotenen Betretens der Parkanlage erstattet. Die Beamten befahlen Opa, mit den ungezogenen Kindern sofort den Rasen zu verlassen.

 

Zur gleichen Zeit spazierten drei Herren mit Anzug und Krawatte durch den Park. Die kleine Diana, die gerade ihren Würfel werfen wollte, schaute auf und fragte einen von ihnen, ob er denn einen Bleistift bei sich habe. Dieser schaute sie verärgert an. Er bückte sich und wollte ihr erklären, dass er der Bürgermeister dieser Stadt sei und dass es strengstens verboten ... Da fiel ihm Diana ins Wort und erklärte ihm, dass sie eigentlich keinen Bleistift, sondern Buntstifte benötige. Ehe der Bürgermeister seinem Ärger Luft machen konnte, war einer der anderen Herren zurück ins Rathaus gelaufen, um bunte Stifte in den Büros zu suchen. "Sind Sie jetzt verrückt geworden, Herr Caspar?", fragte ein Kollege erstaunt, der eine rote Farbe zum Anmalen eines Würfels hergeben sollte.

 

Als er zurückkam, diskutierten die Polizisten, Opa und der Bürgermeister lautstark über die Unerhörtheit, auf dem verbotenen Rasen zu spielen. Währenddessen saßen Diana, der junge Mitarbeiter des Bürgermeisters - der „verrückte Herr Caspar“ - und andere Kolleginnen, die mittlerweile auch ihre Mittagspause im Park verbrachten, mit den anderen Kindern auf dem verbotenen Rasen. Die kleine Diana verteilte die Farbstifte und bat die Mitarbeiter des Rathauses, die Holzwürfel bunt anzumalen, weil sie eine tolle Idee für ein neues Spiel habe.

 

Interessiert an der Überzeugung des Mädchens und überrascht zugleich schauten sich die Rathausmitarbeiter an und lauschten dann ihrer Erklärung:

„Ihr bekommt alle die farbigen Spielwürfel. Dann werfe ich zuerst einen Würfel auf den Rasen. Das ist der Zielwürfel. Nachher muss jeder Spieler versuchen, den Zielwürfel zu treffen. Wer trifft, macht so viele Punkte, wie die Zahlen der beiden Würfel zusammen ergeben. Wir spielen fünf Runden. Und wer am Ende die meisten Punkte hat, ist Sieger.“

Es war eine heiße Mittagsstunde. Die Männer zogen sich nach der ersten Spielrunde die Sakkos und die Krawatten aus und die Mitarbeiterinnen des Rathauses stellten ihre Stöckelschuhe unter die Parkbank. Sie liefen barfuß auf dem verbotenen Rasen, zählten ihre Punkte und holten die Würfel wieder vom Spielfeld. Nach kurzer Zeit sah man, dass aus den meisten Fenstern des Rathauses Leute herausschauten, um das bunte Treiben zu beobachten. Obwohl niemand da oben wusste, was genau zwischen den Kindern und den Kollegen und Kolleginnen ablief, machten sie mit ihren Handys Fotos und begannen zu applaudieren, wenn jemand einen guten Treffer erzielte. Dann ging die kleine Diana zu ihrem Opa, der immer noch heftig diskutierte, und lud die ganze Gruppe zu dem neuen Spiel ein, das sie soeben erfunden und mit dem Rathausteam bereits getestet hatte.

 

Widerwillig begannen der Bürgermeister und die Polizisten zu spielen. Nur Opa war happy, denn er wusste, was sich abseits des Streites ereignet hatte. Bereits in der dritten Spielrunde lag der Bürgermeister in Führung und die Anfeuerungsrufe aus den Fenstern des Rathauses wurden immer lauter. Die Polizisten mit ihren coolen Sonnenbrillen hatten die Diskussion um den verbotenen Rasen plötzlich vergessen, da sie selbst gegen den Bürgermeister und dessen Sekretärinnen auf dem Rasen spielten.

 

Der Arbeitstag war längst vorüber, aber der Park war so voll wie nie zuvor. Über 200 Menschen waren da. Rathausmitarbeiter, Familien, die das Lachen und Jubeln auf der Straße draußen gehört hatten und die Mitarbeiter der angrenzenden Geschäfte trauten sich plötzlich in den sonst so ehrenwerten Park hinein. Alle durften mitspielen. Alle waren überrascht, dass der Bürgermeister nach vier Stunden im großen Finale das Spiel gewonnen hatte. Die kleine Diana trat vor ihn hin, gratulierte ihm und schenkte ihm einen roten Würfel.

 

Da der Bürgermeister das erste Mal seit seiner langen Amtszeit von Herzen großen Applaus von seinen Mitarbeitern und vielen Menschen seiner Stadt erhielt, ließ er spontan erfrischende Getränke und eine große Jausenplatte  anliefern. Als die Kinder die vielen frischen Brote, den Käse und das Obst  sahen, fiel ihnen wieder ein, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten. Sie freuten sich, denn nie zuvor war eine Mahlzeit so ein großes Erlebnis. Erst am späten Abend ging dieses aufregende Ereignis dann zu Ende.

 

 

3. Kapitel: Das Geheimnis vom Glück

 

Am nächsten Morgen war im Rathaus alles anders. Die Stimmung vom Vortag war noch überall zu spüren. Und das Beste - der Bürgermeister wollte unbedingt wieder mit den Würfeln spielen.

 

Seine Sekretärin wurde sofort beauftragt, bei der Polizei die Adresse von Diana in Erfahrung zu bringen. Dann fuhr der große schwarze Dienstwagen des Bürgermeisters an den Stadtrand und brachte Diana und die Kinder mit Opa wieder in den Park. Sie stieg aus dem Wagen, wie eben ein kleines schüchternes Mädchen aussteigt, wenn der Blick vieler Leute auf sie gerichtet ist. Pressefotografen waren da. Filmteams hatten rund um den Park ihre Kameras aufgebaut.

Und dann kam der Bürgermeister. Sportlich gekleidet, in Jeans und mit einer coolen Cap auf seiner Glatze. Als er den Auflauf sah, nahm er Diana bei der Hand, betrat den verbotenen Rasen und bat sie, das Spiel für die Journalisten noch einmal zu erklären. Ihre Schüchternheit war von der einen auf die andere Sekunde verschwunden. Mit viel Charme erklärte sie das neue Würfelspiel, während sie mit dem Bürgermeister ein kleines Vorzeige-Game machte.

Auf die Frage eines Journalisten, wie das Spiel denn heiße, sagte sie "Sokieba". "Was heißt das?", wollte ein Moderator der größten Fernseh-Station des Landes wissen. Niemand konnte mit diesem Namen etwas anfangen, bis Diana erklärte, dass Sokieba der Name einer Glücksblume war, die sie in einem Film gesehen hatte. Da ihr neues Spiel auch sehr viel mit Glück zu tun habe, nenne sie auch ihre Erfindung nach dem Namen  dieser geheimnisvollen Blume. Sie wolle nämlich das Glück, das sie bis jetzt immer nur im Fernsehen sah, selbst erleben.

 

Dann schwenkten die Kameras zum Bürgermeister. Er war nicht auf diesen Presseauflauf vorbereitet, den Herr Caspar schnell und heimlich organisiert hatte. Auf die kritische Frage, ob es denn eine Strafe für Opa und die Kinder geben würde, weil sie den verbotenen Rasen zum Spielplatz gemacht hatten, musste er eine Weile nachdenken. Für ein paar lange Sekunden war es ganz still.

 

Dem Bürgermeister gingen in diesem Moment viele Gedanken durch den Kopf:
Noch nie war er so glücklich in seinem Rathaus gewesen wie heute. Die Stadtbewohner und seine Mitarbeiter lachten, spielten und freuten sich mit ihm. Er war spontan und gab sich so, wie er wirklich war. Und das fühlte sich besser an, als die Rolle, die er jahrelang zu spielen versucht hatte. Er erkannte, dass über Nacht im Rathaus, ja in der ganzen Stadt eine Kultur der guten Stimmung Einzug gehalten hatte, denn die Leute erzählten sich diese Geschichte in den Cafés. Und in den Internetblogs wurden in wenigen Stunden tausende Einträge über Diana gepostet. Der Bürgermeister war ganz ruhig, aber innerlich spürte er große Freude. Dann beantwortete er dem Journalisten die Frage.

„Strafe?“, fragte er zurück. "Dieser Platz trägt ab sofort den Namen Sokieba-Park. Und jedes Jahr gibt es ein Sokieba-Fest, bei dem alle Menschen unserer Stadt, das ganze Rathausteam, die Schüler und die Mitarbeiter der Firmen zum Spielen und Feiern eingeladen werden.

 

Diana schlug daraufhin vor den vielen Leuten drei Räder auf dem Rasen und küsste ihren Opa, der ihr und all den anderen Kindern in den letzten zwei Tagen etwas Großartiges gelehrt hatte, das sie allen Leuten im Park erklären wollte:

"Das Glück, das man im Fernsehen sieht, ist immer das gespielte Glück der anderen. Gestern und heute waren wir zum ersten Mal selber sehr, sehr glücklich, weil wir so viel erleben durften und auch noch selber Glück hatten. Vielleicht kann man sagen, dass man glücklich ist, wenn man Glück hat. Aber Glück hat man nur, wenn man etwas unternimmt, wenn man sich für eine Sache besonders interessiert, daran glaubt und den Mut hat, einmal etwas anderes zu tun."

Dann stieg sie in den schwarzen Dienstwagen des Bürgermeisters, schaute noch einmal etwas schüchtern aus dem Fenster, winkte den Leuten zu und ließ sich nach Hause fahren. Opa wurde im selben Jahr noch zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Mit dieser Auszeichnung hatte er niemals in seinem Leben gerechnet.

 

Von nun an war Sokieba in allen Schulen der Stadt ein eigenes Freifach. Man konnte rechnen lernen, sich beim Spielen unterhalten und Freunde finden. Auf den hügeligen Wiesen vor der Stadt sah man immer mehr Gruppen, die Sokieba spielten. Firmen und Vereine veranstalteten eigene Turniere und Meisterschaften. Kinder und Erwachsene schrieben die Geschichte von Sokieba weiter und Künstler, jung und alt, verwandelten das Geheimnis vom Glück in eine Bilder-Galerie. Zeichnungen, Aquarellbilder, Fotos und Computeranimationen spiegeln seitdem die erlebnisreichen Tage dieser Stadt wieder, die sich über Nacht gewandelt hat. Die Leute lieben es, diese Geschichte der alten Stadt mit dem neuen Lebensstil über die Grenzen hinaus weiterzuerzählen - vielleicht, um zu zeigen, dass man Mut haben darf, etwas Neues auszuprobieren.


(C) by Stefan Schranz
Sokieba (C) (TM)

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